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Letzten Monat kursierten Gerüchte, dass Nike RTFKT, die innovative digitale Sneaker-Marke, die es 2021 für sage und schreibe 1 Milliarde Dollar erworben hatte, schließen könnte. Obwohl sich die Spekulation als unbegründet herausstellte, löste sie eine tiefere Betrachtung aus: Hat web3 mit seinen Versprechen von Dezentralisierung und digitalem Eigentum für Verbrauchermarken wirklich geliefert? Meine Antwort ist ein klares Nein.

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Große Konsumgütermarken sind schlicht zu starr und risikoscheu, um innerhalb dieses neuen Paradigmas wirkungsvolle Innovationen hervorzubringen. Sie haben die Mechanismen des Web3 nur oberflächlich übernommen, weil sie eher kurzfristige finanzielle Gewinne anstrebten als eine echte technologische Integration. Folglich ist es ihnen nicht gelungen, eine sinnvolle Produkt-Markt-Passung zu finden.

Das Versagen großer Marken bei der Innovation

Große Verbrauchermarken passen sich bekanntermaßen nur langsam an neue Technologien an. Kodak, ein Pionier der Digitalfotografie, klammerte sich an sein Filmgeschäft und verpasste die digitale Revolution. Blockbuster ignorierte den Aufstieg des Online-Streamings und zahlte dafür den höchsten Preis. In ähnlicher Weise wiederholen große Marken heute diese Fehler mit Web3. Sie beschäftigen sich mit NFTs und Blockchain nicht aus einem echten Wunsch nach Innovation, sondern als Reaktion auf Markttrends. Dieser oberflächlichen Übernahme mangelt es an der Tiefe und dem Verständnis, die erforderlich sind, um das volle Potenzial von Web3 auszuschöpfen.

Aus philosophischer Sicht liegt dieser Mangel an Innovation in der Natur großer Unternehmen begründet. Sie sind von Natur aus hierarchisch und zentralisiert aufgebaut und stellen Stabilität und Vorhersehbarkeit über Experimente und Risikobereitschaft. Im Sinne Deleuzes sind sie gegliederte Räume, die starr organisiert und veränderungsresistent sind. Web3 hingegen stellt einen glatten Raum dar, ein Reich der Dezentralisierung und Fluidität. Die Unfähigkeit großer Marken, sich in diesem Raum zurechtzufinden, ist nicht überraschend; sie widerspricht ihrem Wesen.

Die oberflächliche Übernahme von Web3

Nikes Übernahme von RTFKT wurde als mutiger Schritt in die digitale Welt gefeiert. Doch trotz der anfänglichen Begeisterung hat Nike Schwierigkeiten, seinen Innovationsgeist in seine umfassendere Strategie zu integrieren. Die jüngsten Gerüchte über eine Schließung unterstreichen das größere Problem: Große Marken übernehmen Web3-Technologien wegen ihres finanziellen Potenzials, nicht wegen echter Innovationen. Das Ergebnis ist eine Reihe halbherziger Projekte, die bei den Verbrauchern keinen Anklang finden.

Diese Oberflächlichkeit geht über Nike hinaus. Louis Vuittons Vorstoß in die Blockchain zur Produktauthentifizierung passt zwar zum Schwerpunkt der Marke auf Luxus und Authentizität, hat aber das Engagement der Verbraucher nicht wesentlich beeinflusst. Die Verwendung der Blockchain ist hier eher ein Marketing-Gag als ein transformatives Werkzeug. Es ist ein Simulakrum der Innovation, ein hohler Signifikant ohne wahre Bedeutung.

Louis Vuittons NFT-Projekte

Louis Vuitton hat mehrere bemerkenswerte NFT-Initiativen gestartet, darunter vor allem die mobile App „Louis: The Game“, mit der das 200-jährige Jubiläum der Marke gefeiert wurde. In diesem Spiel helfen die Spieler dem Maskottchen Vivienne, NFTs zu sammeln, die vom renommierten Künstler Beeple entworfen wurden. Das Spiel zielte darauf ab, zu informieren und zu unterhalten und den Spielern gleichzeitig die reiche Geschichte der Marke näherzubringen. Obwohl das Spiel über zwei Millionen Mal heruntergeladen wurde, bleibt die Auswirkung auf das Engagement der Verbraucher fraglich, da die NFTs nicht übertragbar sind und in erster Linie als Sammlerstücke ohne breiteren Nutzen dienen.

In einem neueren Projekt hat Louis Vuitton die „VIA Treasure Trunk“-NFTs eingeführt, die jeweils etwa 41.000 US-Dollar kosten. Diese an physische Koffer gebundenen NFTs bieten exklusiven Zugang zu anpassbaren Produkten und frühen Veröffentlichungen und richten sich an die Elitekundschaft der Marke. Dieser Ansatz unterstreicht jedoch den Fokus der Marke auf Exklusivität und nicht auf die Demokratisierung des Zugangs zu digitalem Eigentum.

Das wahre Potenzial von Web3

Das Versprechen von Web3 liegt in seiner Fähigkeit, digitale Interaktionen und Eigentum zu demokratisieren. Dieses Potenzial bleibt jedoch von großen Marken weitgehend ungenutzt. Die wahren Pioniere von Web3 sind kleinere, agilere Unternehmen, die Risiken eingehen und ohne die Last bürokratischer Trägheit innovativ sein können. Marken wie 9dcc und RTFKT (in ihrer ursprünglichen Form) stehen an der Spitze dieser Innovation. 9dcc, gegründet vom Kryptounternehmer Gmoney, integriert NFTs in High-End-Mode und schafft so eine nahtlose Mischung aus digitalen und physischen Erlebnissen, die bei den Verbrauchern auf echte Resonanz stoßen. Diese Unternehmen experimentieren mit neuen Modellen von Eigentum, Community-Engagement und digitalen Erlebnissen, die große Marken nicht verfolgen können oder wollen.

In gewisser Weise sind diese kleineren Akteure die Nomaden der digitalen Welt, die den glatten Raum des Web3 mit Leichtigkeit durchqueren. Sie sind nicht an die Feinheiten der Unternehmensstruktur gebunden und können daher das volle Potenzial dieser neuen Grenze erkunden. Sie verkörpern das deleuzesche Konzept des Rhizoms, eines dezentralisierten, nicht-hierarchischen Systems, das in jede Richtung wachsen und sich anpassen kann.

Die Zukunft von Web3 und Verbrauchermarken

Damit Web3 sein volles Potenzial in Verbraucheranwendungen entfalten kann, müssen diese kleineren Innovatoren die Führung übernehmen. Sie sind diejenigen, die die Grenzen verschieben, mit neuen Technologien experimentieren und echte Wege finden, um mit den Verbrauchern in Kontakt zu treten. Große Marken hingegen müssen ihre Grenzen erkennen und sich vielleicht von diesen kleineren Akteuren inspirieren lassen.

Bei Web3 geht es nicht nur darum, ein NFT auf ein Produkt zu kleben und damit Schluss zu machen. Es geht darum, das gesamte Verbrauchererlebnis neu zu überdenken, vom Besitz über das Engagement bis hin zur Wertschöpfung. Solange große Marken dies nicht verstehen, werden sie weiterhin das Ziel verfehlen und das wahre Potenzial von Web3 wird ungenutzt bleiben.

Die philosophischen Implikationen sind klar: Die Zukunft gehört denen, die sich im glatten Raum des Web3 zurechtfinden, nicht denen, die an den zerklüfteten Strukturen der Vergangenheit festhalten. Sie gehört den Nomaden, den Rhizomen und den Innovatoren, die keine Angst haben, zu experimentieren und zu scheitern. Sie gehört denen, die verstehen, dass es bei echter Innovation nicht um finanziellen Gewinn geht, sondern darum, die Grenzen des Möglichen zu verschieben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Versagen großer Verbrauchermarken bei der Förderung der Einführung von Web3 eine grundlegende Wahrheit verdeutlicht: Innovation erfordert mehr als nur finanzielle Investitionen. Sie erfordert die Bereitschaft, Risiken einzugehen, zu experimentieren und die Technologie wirklich zu verstehen. Solange große Marken diese Denkweise nicht übernehmen, wird die Zukunft von Web3 von den Mutigen, den Flinken und den wirklich Innovativen geprägt.

Die Frage ist nicht, ob Web3 das Kundenerlebnis verändern wird, sondern wer an der Spitze dieser Transformation stehen wird. Die Antwort liegt meiner Meinung nach im dezentralisierten, fließenden und unendlich kreativen Bereich der Kleinen und Agilen. Sie können die Zukunft nutzen.

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Autor: Gleb Sychev

Gleb Sychev ist ein multidisziplinärer Kreativer, Künstler, Web3-Innovator und Marketingexperte, der derzeit eine unternehmerische Rolle als Gründer und CEO von Swarāj übernimmt, einer avantgardistischen Marke jenseits der Mode, die das Konzept der „Phygitalisierung“ vorantreibt. Er ist außerdem Mitbegründer von The Selfrule Organization, einem Unternehmen, das sich auf die Forschung und Entwicklung von Produkten in einer breiten Palette aufstrebender Technologiefelder konzentriert. Vor der Gründung von Swarāj war Gleb sieben Jahre lang im Bereich Kryptowährung tätig, zuletzt als Chief Marketing Officer bei 1inch Network, wo er die Marketingbemühungen leitete. Während seiner Zeit im Bereich Kryptowährung war er Hauptredner bei prominenten Branchenveranstaltungen wie ETH Denver und DAO Tokyo. Mit seinen vielfältigen Fähigkeiten und seiner Fähigkeit, die Lücken zwischen Technologie, Kreativität und Geschäft zu schließen, ist Gleb gut aufgestellt, um bedeutende Beiträge im Web3-Bereich und darüber hinaus zu leisten, während er Swarāj zu einem erfolgreichen Unternehmen ausbaut.